Bierbrau-Workshop im Curious Community Lab

Gestern fand ein Brauworkshop im Curious Community Lab statt. Dort haben wir ein Klosterbier gebraut.

Das Rezept für das Kolsterbier ist nicht auf freibier.cc. Dort gibt es entweder helle Biere (das geht hier nicht, s.u.!) oder recht komplexe Biere mit vielen Malzen, die wir alle kaufen müssten, was ich gerne für den ersten Workshop vermeiden möchte.

In Hamburg haben wir recht hartes Wasser. So dass wir beliebte Biere wie Pilsener hier nicht brauen können, ohne am Wasser zu arbeiten. Ich empfinde es als sinnvoller, sich an die Umwelt anzupassen (das vorhandene Wasser) als die Umwelt zu verändern (den PH-Wert des Wassers zu korrigieren wie Groß-Brauereien das machen). Regenwasser, das eigentlich weich ist, geht leider nicht, da die Hefepilze die Mineralien im Wasser zum Leben brauchen. Daher müssen wir ein recht dunkles, malziges Bier brauen. Ich denke, das kommt geschmacklich auch den Teilnehmer*innen entgegen.

Im “Mittelalter” wurde eher mit Hafer gebraut. Hafer verträgt andere Zutaten wie Beifuß oder Hanf geschmacklich besser als ein helles Bier. Ich denke, mit unserem dunklen Bier können wir – trotz Gerste – trotzdem mit anderen Zutaten als Hopfen experimentieren.

Für die Gärung habe ich einen Gärbottich, der 30 Liter fasst, aber auch noch andere Gefäße, die 25 Liter oder 5 Liter fassen. Wir haben also Raum zum Experimentieren.

Wir werden ein obergäriges Bier brauen. Obergärige Hefe arbeitet bei höheren Temperaturen als untergärige Hefe. Da wir noch Sommer haben, sollten wir keine Energie zur Kühlung des Biers verschwenden sondern mit der Jahreszeit arbeiten und ein obergäriges Bier brauen. Zudem bringt die obergärige Hefe mehr Ester / Fruchtgeschmack ins Bier. Das passt gut zu unserem dunklen Bier und den Experimenten mit Beifuß oder Hanf.

Schüttung

  • 2,5 kg Münchener Malz 
  • 2,5 kg Wiener Malz
  • 40 g Caramalz (oder ähnliches dunkles Farbmalz, das gibt dann – wenn die beiden Malze doch nicht passend waren – noch etwas “malziges” Aroma ins Bier, dann wird es bestimmt schmecken)

Schüttung ist das Malz, das man ins Brauwasser schüttet (daher “Schüttung”).

Malz ist eigentlich nur Getreide. Man kann jedes Getreide verwenden (sogar andere Gräser wie Reis oder Mais (Corona-Bier)). In Deutschland hat sich Sommergerste durchgesetzt. In Bayern – z.B. – wurde (und wird immer noch) auch gerne Bier aus dem Weizen gebraut.

Das Besondere an Malz ist, dass es nicht einfach nur Getreide ist. Im Korn ist Stärke. Diese Stärke verwendet der Keimling, um zu wachsen, bis er Wurzeln hat, um selbst an Nährstoffe zu kommen. Um die Stärke in Zucker zu verwandeln, produziert der Keimling Enzyme, die – ja genau – Stärke in Zucker wandeln.

Daher lässt man das Korn kurz an-keimen und röstet/trocknet es anschließend, um den Keimungs-Prozess abzubrechen. Das ist der eigentliche “Trick” am Malz. Man “hackt” quasi die Natur. Imho ist das der erste dokumentierte Hack der Menschheit.

Je nachdem, wie stark man das Korn röstet, wird es mehr oder weniger dunkel. Je dunkler es wird, desto “malziger” ist es. Das dunkelste Malz wird auch Caramalz genannt. Das kennt man vom “Malzbier”. Wenn man vom Trocknen/Rösten noch Raucharomen im Malz hat, dann kann man aus dem Sud entweder ein Rauchbier (wie in Bamberg) oder Whiskey (wie in Schottland) machen (Whiskey ist eigentlich nur destilliertes Bier… aber das wäre dann der nächste Workshop).

Normales Bier möchte eigentlich keine Raucharomen. Daher verzichten wir auf diese Raucharomen.

Die Enzyme sind dann – nach dem Trocknen / Rösten – trotzdem noch im Korn, das nun Malz heißt. Diese Enzyme brauchen wir, um im Brauprozess die Stärke in Zucker umzuwandeln.

Was ist ein Enzym? Enzyme sind aufgebaut aus polymerisierten (verketteten) Aminosäuren. Mehrere Aminosäuren ergeben Peptide, noch mehr verkettete Aminosäuren heißen Polypeptide und noch länger dann Proteine (Eiweiße). Enzyme helfen die Umwandlungs-Prozesse zu katalysieren, d.h. beschleunigen und bei niedrigen Temperaturen überhaupt auch erst ermöglichen. Für diese Umwandlungs-Prozesse müssen Temperatur und PH-Wert stimmen. Leider wirken Enzyme nur bei den vorgegebenen Temperaturen. Wenn die Temperatur für das entsprechende Enzym einmal überschritten ist, dann geht es kaputt, denn Eiweiße beginnen bei Temperaturen oberhalb 41°C zu zerfallen. Daher müssen “Rasten” eingelegt werden, damit die richtigen Enzyme Zeit haben, ihre Arbeit zu verrichten. Falls man die “Rasten” nicht einhält oder zu kurz wählt, dann ist “Hopfen und Malz” verloren (bei uns nur das Malz, denn wir werden messen, ob die Enzyme gearbeitet haben -> Jodprobe).

Der Zucker, den die Enzyme aus der Stärke des Malzes gebildet haben, ist dann – nach dem Brauprozess – die Nahrung für die Hefe, die den Alkohol erzeugt.

Brauwasser

Im Brauwasser wird der Zucker aus dem Malz gelöst. Zuerst wird das Malz im Hauptguss ausgekocht und “abgesiebt” (geläutert). Da nach dem Absieben noch genug Zucker im Malz ist, wird noch mal die gleiche Menge kochendes Wasser hinterher gegeben, um den restlichen Zucker zu lösen. Dies ist der Nachguss. Ganz früher wurde das restliche Malz dann noch mal mit Wasser aufgekocht um ein “Schwachbier” zu erhalten. Das hatte dann nur noch wenig Alkohol (weniger als 2%, etwa soviel wie gewöhnlicher Apfelsaft), war aber als normales Alltagsgetränk durchaus üblich.

  • 15 l Hauptguss
  • 15 l Nachguss

Ablauf

  • Maischen: Einmaischen bei 38°C
    • Man kippt das ganze Malz (ca. 5 kg) in das warme Brauwasser. Dabei kühlt das Brauwasser natürlich ab. Daher muss man es, unter ständigem Rühren, wieder erwärmen.
  • Rast: 20 Minuten bei 38°Cdamit die Schüttung einwirken kann
  1.  
  • 1. Rast: 20 Minuten bei (52 – 55)°C
    • Eiweißrast – diese braucht man bei den heutigen Malzen eigentlich nicht mehr. Eiweiße möchte man nicht haben, da sie das Bier leicht verderben lassen. Heutige Braugerste ist so weit kultiviert, dass sie kaum noch Eiweiß enthält. Aus didaktischen Gründen würde ich diese Rast trotzdem gerne einlegen, um die Eiweißrast zu erklären.
  • 2. Rast: 20 Minuten bei 64°C (erste Jodprobe)
    • Maltoserast. Dies ist die wichtigste Rast. Hier beginnt die Umwandlung von Stärke in Zucker. Beta-Amylase (ein Enzym) spaltet Maltose von Stärekmolekülen (das Enzym ist quasi eine Schere, die Stärkemoleküle zerlegt). Je länger die Rast, desto besser für die Umwandlung, aber desto weniger süß (aka “Vollmundig”, obwohl das – genau genommen- nicht das Gleiche ist, siehe unten!) wird das Bier. Nach der Maltoserast nehmen wir die erste Jodprobe. Mit der Jodprobe können wir erkennen, ob Stärke in Zucker umgewandelt wurde. Dazu nehmen wir Jod-N-50-Lösung (Lugol’sche Lösung) und träufeln diese in einer Untertasse auf auf den Sud. Die Farbe sollte nicht umschlagen, denn die Farbe schlägt bei “Stärke” um und nicht bei Zucker.
  • 3. Rast: 20 Minuten bei 72°C (evtl. zweite Jodprobe)
    • Erste Verzuckerungs-Rast. Bei 72°C wird die Beta-Amylase zerstört. Nun wirkt die Alpha-Amylase (auch ein Enzym). Diese wandelt die restliche Stärke in in Dextrin um. Dextrin ist der Zucker, der nicht von Hefe vergoren wird. D.h., je länger die Maltoserast war, desto weniger Dextrin ist anschließend im Bier und desto weniger süß (aka vollmundig) wird das Bier werden. Das ist eine der Stellschrauben, die wir haben. Wenn wir ein “vollmundiges” Bier brauen möchten, dann müssen wir die Maltoserast kürzer wählen. Aber dann haben wir weniger Zucker, der in Alkohol umgewandelt werden kann. Gerne können wir nach der Verzuckerungs-Rast noch eine zweite Jodprobe machen. Aber: Da die Beta-Amylase bereits zerstört ist, können wir nichts mehr unternehmen, um noch mehr Stärke in Maltose umzuwandeln. Wir könnten höchstens noch Raffinade-Zucker hinzugeben (was – per Gesetz – nicht erlaubt ist, aber dem Heimbrauer kann man das nicht verbieten).
    • Spätestens jetzt sollten wir anfangen, das Wasser für den Nachguss zu kochen.
  • 4. Rast: 20 Minuten bei 78°C
    • Zweite Verzuckerungs-Rast: Die Alpha-Amylase wird bei 80°C zerstört. Darum ist es wichtig, hier die Temperatur genau zu treffen. Hier wird die restliche Stärke umgewandelt in Zucker. Man kann auf diese Rast verzichten, aber es wäre schade um das Malz. Wir wollen doch alle Nährstoffe anschließend im Bier haben (es sei denn, wir wollen aus dem Rest noch “Schwachbier” brauen).
    • Wir sollten anfangen, die Utensilien für das richtige “Läutern” vorzubereiten.
  1. Läutern
    • Hier trennen wir die Maische vom Brausud. Dazu geben wir die Flüssigkeit über einen Filter (z.B. eine Stoffwindel) in einen Topf, in dem wir später den Hopfen kochen. Damit wir den Zucker komplett ausschöpfen, geben wir den vorbereiteten Nachguss (schlicht: heißes Wasser) hinterher. Dann haben wir ca. 30 Liter in einem Topf, für die Hopfenkochung.
    • Hier sollten wir etwas abzweigen, um andere Biere (mit Beifuß oder Hanf zu kochen).
    • Den ausgelaugten Treber (das Malz, das übrig bleibt) können wir verwenden um:
      • ein Treber-Brot zu backen (dafür können wir nur wenig Treber zum Brot hinzu geben, da wir eigentlich zum Brotbacken das Klebeeiweiß – aka. Gluten – mögen, das wir aber schon in der Eiweißrast entfernt haben; aber mit 1/4 Treber zum Rest-Brot schmeckt das trotzdem super)
      • es gären lassen und aus dem wenigen Alkohol, was es ergibt, einen Grappa zu destillieren
      • etwas Schwachbier zu brauen
      • es an Tiere als Raufutter verfüttern
      • Es als Zusatz zum Pilzsubstrat geben
  • Hopfen kochen:
    • Die Würze (so heißt die Flüssigkeit, die wir bisher erzeugt haben) müssen wir kochen, damit aus Hopfen, Beifuß oder Hanf die ätherisch Öle ausgekocht werden. Diese geben dem Bier Geschmack und machen es haltbar. Früher wurde kein Hopfen verwendet. Gebräuchlich waren Gagel, Beifuß oder Hanf. Hildegard von Bingen hat erkannt, dass man auch Hopfen verwenden kann (damit die Mönche nicht immer breit vom Hanf waren). Hopfen macht das Bier zudem länger haltbar (länger als ein Jahr(!)). Daher hat sich – wegen des Handels mit dem Bier, das haltbar sein sollte (daher auch der Name “Export” für hopfenhaltige Biere, die kein Pilsener Bier sind) – Hopfen durchgesetzt. Die Würze muss eine Weile kochen, um die Öle aus dem Hopfen zu lösen. Andere Kräuter können wir in anderen Töpfen genausolange kochen.
    • 90 Minuten Kochung bei 100°C (welche Temperatur sonst ;-))
    • 27g Hopfen (z.B. Bitterhopfen) bei Kochbeginn (eine gute Hand voll frisch). Bitterhopfen ist der Hopfen, der heute überlicherweise verwendet wird. Er macht das Bier bitter, hat aber wenig sonstige Aromen.
    • Rant: “Craft-Beer” ist eigentlich nur Bier, in das zu viel Bitterhopfen eingebracht wird, damit es mindestens so bitter wie “Pilsener” schmeckt, obwohl weder das Malz noch das Wasser zu “Pilsener” passt.
    • 21g Hopfen (z.B. Aromahopfen) 10 Minuten vor Kochende (eine Hand voll frisch) – Aromahopfen bringt fruchtige Aromen ins Bier. Diese sind viel komplexer als Bitterhopfen, würden aber auf Dauer verkochen. Daher kommt er zum Schluss dazu.
    • Oder Beifuß oder Hanf – hier müssen wir experimentieren.
  • Gärung und Reifung:
    • Das Bier muss auf 20°C abkühlen, bevor wir weitermachen können. Darum warten wir eine “Nacht” ab. Das haben wir gemacht und heute die Hefe eingeschlagen.
    • Der Sud sollte ca 5 – 6% potentiellen Alkohol enthalten bei 20°C. Das können wir mit dem Öchsle-Meter messen. Das misst eigentlich nur die “Dichte” des Suds. Je mehr Zucker, desto dichter. Das müssen wir – theoretisch – dem Zoll melden, denn Alkoholproduktion muss verzollt werden. Unter eine gewissen Menge ist das Bierbrauen “zollfrei”. Dem Zoll habe ich noch nie gemeldet, dass ich Bierbrauen möchte. Gesetzlich ist das allerdings vorgeschrieben.
    • 7g obergärige Hefe bei 15 – 24°C (Umgebungstemperatur 20°C). Jetzt fügen wir die Hefe dem Sud hinzu. Dazu müssen wir recht kräftig mit dem Schneebesen Luft in den Sud bringen, denn Hefe möchte nebem dem Zucker auch noch Sauerstoff (den kann Hefe als Pilz nicht selbst produzieren). Hefenährsalz müssen wir – im Gegensatz zur Weinproduktion – nicht hinzugeben, denn wir haben “hartes” Wasser verwendet, in dem hoffentlich genug Minerialen sind, damit die Hefe wachsen kann. Es gibt viele Arten von Hefe. Wir verwenden hier nur “untergärige” Hefe. Eigentlich ist das Thema “Hefe” super-komplex. Früher wurde die Hefe des vorherigen Brauvorgangs verwendet. Das war dann eigentlich eine Mischung aus Hefen und Milchsäurebakterien, die ein sehr komplexes Geschmackserlebnis erzeugt haben. Seit fast 50 Jahren wird aber Industriehefe verwendet. Dr. Oetker war da der Marktführer und seit dem schmecken alle Biere “gleich” (aber seit dem trinkt auch “jeder” Pilsener). Diese Industriehefe verwenden wir auch. Aber es rentiert sich, in Richtung “wilde Hefen” zu experimentieren oder “prä-industrielle” Hefen wiederzubeleben. Als Inspiration siehe Tim Pritlove & Andreas Bogk – Chaosradio – https://cre.fm/cre194-bier.
    • Stammwürze bei Abfüllung 3,2% / Gärdauer ca. 6 Tage – Jetzt produziert die Hefe für uns den Alkohol. Wir haben obergärige Hefe gewählt, damit sie bei 15 – 24°C leben kann. Sobald sie beginnt, fängt das Bier an zu “blubbern” (im Gährröhrchen blubbert es). Nach ca. 6 Tagen (manchmal auch kürzer oder auch zwei Wochen) ist die Hefe damit durch. Man erkennt es daran, dass sie aufhört zu blubbern.
  • Karbonisierung mit 5 g Zucker/l (oder mit frischem Malzbier) – das machen wir (über-)nächste Woche am Lab-Day 
    • Der Zucker ist jetzt in Alkohol umgesetzt. Was wir jetzt haben, das nennt sich “Zwickel”. Das ist ein Bier ohne Kohlensäure (auch wenn das “Marketing” das inzwischen anders sieht). Um Kohlensäure zu erhalten, soll die Hefe weiter arbeiten. Ohne Sauerstoff produziert Hefe Kohlensäure statt Alkohol. Also geben wir der Hefe noch etwas Zucker (oder frischen Sud) und geben unser Zwickel in Bügelflaschen. Dann hat die Hefe ca. 4-6 Wochen Zeit, um Kohlensäure zu produzieren.
  • Reifezeit 4-6 Wochen
    • Jetzt kann das Bier verkostet werden.

Wie man sieht, dauert es rund 6 Wochen, um ein Bier zu brauen. Um sich beim Verkosten daran zu erinnern, wie man es gemacht hat (welche Rast? wie vollmundig?), kann man ein “Brauprotokoll” führen, um beim nächsten Mal das Ergebnis zu verbessern.

 

Selbstvertändlich haben wir das Brauen beim Zollamt angemeldet:

From: [me]
Subject: Jährliche Brauanzeige als Haus- und Hobbybrauer für das Kalenderjahr 2022
To: poststelle.hza-hamburg@zoll.bund.de
Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit zeige ich an, in meinem Haushalt [Ort] für den Eigenbedarf Bier zu brauen.

Tag des ersten Brauvorgangs im Kalenderjahr: 01.10.2022
Im Kalenderjahr werden voraussichtlich hergestellt: 200 Liter Bier


Mit freundlichen Grüßen

[Name]
Dieser Text wurde zuerst im Wiki des CCL veröffentlicht.

2 Gedanken zu „Bierbrau-Workshop im Curious Community Lab“

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